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Der folgende Text entstand für einen Vortrag bei VBW Fürstenzell am 26.10.2017 - Bilder finden Sie auch hier

"Kolumbien – das heißt, ganz Südamerika kompakt erleben: Karibik Pazifik, Anden & Dschungel, indigene Tradition & Kolonialflair“ - so beschreibt es Ingolf Bruckner, Abenteurer und Autor des knowhow Reiseführers

Wie kommt man als „normaler“ Niederbayer darauf, sich intensiv mit diesem Land auseinanderzusetzen und es zu bereisen?

Studium der Geographie und Lehramt, Reiselust, Hang zum Außergewöhnlichen und die Idee eigentlich Kuba zu bereisen. Organisatorisch war aber Kuba – auf eigene Faust – mehr als problematisch, und nachdem die kolumbianische Tourismusorganisation schöne Werbematerialien anbot, war ein neues Ziel gefunden.

 

Was wissen wir von Kolumbien?

Friedensschuss nach über 50 Jahren Bürgerkrieg zwischen der Regierung und den FARC-Rebellen was im Friedensnobelpreis für Juan Manuel Santos 2016 Ausdruck findet

Die kolumbianischen Radstars Nairo Qintana und Rigoberto Uran die Fußballer Carlos Valderrama mit der Wahnsinns-Frisur oder den FC Bayern Neuzugang James Rodriguez

Shakira und Juanes sind den Musik-Freunden ein Begriff

und wer mit den Namen wie Paulina Vega, Stefanie Fernandez, Dayana Mendoza etwas verbindet – kein Land hat mehr Miss Universes gekürt ...

Für mich – und wohl auch viele hier im Publikum – verbindet man Kolumbien gemeinhin mit Kokain, Drogenkartellen, Pablo Escobar, FARC und Bürgerkrieg … nicht sehr positiv.

Auch das auswärtige Amt hat so manchen Hinweis bereit …

Landminen im Gelände, Fahrten über Land nur tagsüber, Gewalt in den Großstädten …

Und man ist trotz aller Warnungen mehr als überrascht, was diese Land einem Besucher zu bieten hat. Werfen wir also einen Blick hinein.


Zur Geographie:

Der einzige südamerikanische Staat mit Zugang zum Pazifik und zur Karibik, der Äquator schneidet im Süden des Landes

höchste Gipfel bis 5775 m NN (Pico Cristobal Colon)

ca. 3x so groß wie Deutschland

rund 49 Mio. Einwohner (März 2017)

drei Andenkordilleren,

daraus immer wieder resultierende Erdbeben und aktiver Vulkanismus bis zu den Tiefländern des Orinoco und Amazonas

Klima ist stark von der Höhe und der Windlage geprägt (Bogota 2500m ~5°, Tatacoa ~45°) auch die Niederschläge sind variabel (Regenzeiten A,M,J & S,O,N Bogota 900mm, Küste >10000mm)

 

Die kolumbianische Fahne soll dies auch symbolisieren

gelb: Sonne / Goldschätze

blau: Wasser der Ozeane

rot: Blut der Unabhängigkeit

 

Wir begehen heute eine Reise durch über 2000 Jahre Geschichte des Landes und bewegen uns auf den Spuren der europäischen Entdecker bis unsere Reise in der Hauptstadt endet.

 

Wir beginnen in der(!) Tourismusmetropole des Landes Cartagena de Indias, deren Altstadt seit 1984 mit dem Prädikat des UNESCO-Weltkulturerbes ausgezeichnet ist.

 

Der Spanier Pedro de Heredia gründete die Stadt 1533 als erste auf dem neu entdeckten Kontinent. Der große natürliche Hafen und die Lage auf einer Halbinsel ermöglichte den raschen Aufstieg zum Drehkreuz im Handel zwischen alter und neuer Welt. Sklaven-Monopol, Plaza de Aduana mit dem Casa del Premio Reals (Haus des Vizekönigs) mit dem Kolumbus-Denkmal.

San Pedro Claver: Apostel der Schwarzen oder Sklave der Sklaven (1580-1654) der Jesuitenpater kümmerte sich um die geschundenen Sklaven, bekehrte über 300000 zum christlichen Glauben

Palacio de la Inquisicion seit 1610 zuständig für Lateinamerika rund 800 Todesurteile

Die massive Stadtmauer verhinderte mehrfach eine Eroberung durch britische Marine, wobei der größte Feind von Vizeadmiral Edwad Vernon („Old Grog“) in 67 Tagen Kampf tropischer Regen, Durchfall, Hunger und Gelbfieber war.

Wenn man über die Altstadt hinaus blickt sieht man die Skyline von Bocagrande.

San Diego und La Mantua sind die alten Handwerkerortsteile und daher auch nicht so prächtig wie El Centro.

 

Von Cartagena nehmen wir den Weg in die Westkordilliere nach Popayan, so wie die Conquistadores nach Süden, nur weniger beschwerlich mit dem Flugzeug, welches in Kolumbien ein überaus praktisches Verkehrsmittel ist, da die Gebirge massive Hindernisse darstellen – und vor einigen Jahren auch noch die Sicherheit vor Überfällen ein wichtiger Grund war

 

Popayan, im Zentrum der Provinz Huila, liegt auf halber Strecke zwischen Bogota und Quito und war ein wichtiger Umschlagsposten Im Zentrum steht der Parque Caldas. Normalerweise sind die Hauptplätze nach Simon Bolivar, dem Kämpfer für die Unabhängigkeit, benannt. Jose Caldas war ebenfalls ein Freiheitskämpfer gegen die spanischen Herrscher aus der Stadt Popayan, gefeiert als Märtyrer: Pablo Morillo zur Hinrichtung Caldas' „Espana no necesita sabios“ (Spanien braucht keine Weisen)

Die „weiße Stadt“ ist bis heute eine moderne und intellektuelle Stadt. Vor allem die vielen Studenten und Künstler prägen heute das Leben. Bekannt ist die semana santa mit zehntausenden Besuchern aus ganz Lateinamerika mit ihren beeindruckenden Figuren.

Der Panteon de los Proceres ist eine „Walhalla“ Kolumbiens – und das nicht in der Hauptstadt. Todo el mundo es Popayan - Die ganze Welt ist Popayan. Keine andere Stadt hat mehr Intellektuelle, Bischöfe und Präsidenten (13 von 25?) hervorgebracht.

 

 

Über die Hauptstraße Carrera 6 verlassen wir die Stadt in die Zentralanden – und hier wird das Fahren (mit Guide) zum Abenteuer ca. 180 km in knapp 9 Stunden!

Vulkan von Purace an der Westabdachung enorme Niederschläge in den Feuchtgebieten wachsen frailejones (Mönchskappen) mit Rosetten wenige cm pro Jahr bis zu 10m hoch!

Die Straße – eine von nur 4 Querverbindungen führt bis auf über 3000m, die Luft wird dünn, der Motor schwächer und der Zustand schlechter. Die Wälder gelten bis heute als Rückzugsgebiete der FARC.

 

Die FARC startete als städtische kommunistische Opposition mit dem Ziel soziale Gerechtigkeit. Diese entwickelte sich zu einer Revolutionssarmee und Terrororganisation. Nicht trennen kann man auch Drogen, Gold und Edelsteinhandel sowie Geiselnahmen (Ingrid Betancourt 2002-08). Bis zu 20000 bewaffnete Kämpfer, zahlreiche Sympathisanten in der armen Landbevölkerung. Das kolumbianische Militär bekämpft die Rebellen mit Unterstützung des USA.

Aktuell gibt es ein Friedensabkommen zwischen Präsident Santos und dem Rebellenführer Timoleon Jiminez, genannt Timochenko. Mit anderen Rerbellen wie der ELN ist man auf einem guten Weg.

 

Anderes Thema: Das Zentrale Hochland gilt auch als Zentrum der Kaffee-Wirtschaft

von Großplantagen bis zu Kleinbauern mit 1-2 ha, die über Genossenschaften verkaufen.

Setzlinge – Busch – Strauch – Ernte in Handarbeit – Trocknung – Sortierung

weitere wichtige Produkte, die häufig auch in der gleichen Pflanzung produziert werden sind

Zucker – Rohr – Melasse – Blöcke – agua panela

Bananen

Papaya

und Koka, der Grundstoff für Kokain und Ursache für viele Probleme des Landes,

ca. 300-800 Tonnen/Jahr Herstellung 1 kg ca. 500$, Verkauf ca. 40000$

Alle legalen Produkte findet man dann auf den lokalen Märkten, wie hier in den Markthallen von San Agustin. Hier dominiert die kleine lokale Landwirtschaft, Nebenerwerbsbauern, …

 

Ein kleiner Ausflug in die Tier- und Pflanzenwelt

 

Touristisch und vor allem historisch bedeutsam ist die Region wegen der archäologischen Funde, seit 1995 Weltkulturerbe. Vieles der Geschichte liegt im Unbekannten, häufig sind Deutungen und verschiedenste Interpretationen notwendig.

 

Für uns Europäer fällt bei den Gedanken an südamerikanische Geschichte Kolumbus, Pizarro und die Reiche der Inka, Maya und Azteken ein. Dieses Bild möchte ich heute erweitern.

Im Parque Arqueologico werden erste Spuren auf 1100 v.Ch. Datiert. Die frühe Periode 1100 - 200 v.Ch. hinterließ Keramik und Gräber. Während der Klassischen Periode 200 v.Ch. - 700 n.Ch. schuf die großartigen Statuen, sowie großflächigen Terrassen und Erdwälle. Der Niedergang folgte bis ca. 1500, ein Kontakt zu den Europäern ist nicht nachgewiesen. Fische, Krokodile u.a. deuten auf rege (Fernhandels-?) Beziehungen hin (Amazonien und Pazifikküste!)

 

Erst 1790 wird der Ort San Agustin gegründet und zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann die Erforschung der vom Urwald überwachsenen Anlagen (u.. Konrad Theodor Preuss)

 

Die Unwegsamkeit dieser Region sieht man auch am Rio Magdalena …

El Estrecho an der engsten Stelle nur ca. 1,5m allerdings auch extrem reißend

 

Von rund 1600m NN geht es über Timana mit einem typischen Ceila-Baum (extreme Blätterkrone) zum Denkmal – nicht Bolivar oder Kolumbus – sondern für eine Indianerin „Monumento a la Gaitana“

1539/40 fordert der spanische Conquistador Pedro Anasco hohe Abgaben, welche eine Mutter und ihr Sohn nicht leisten wollten. Zur Folge statuierte ein Exempel und ließ den Sohn öffentlich verbrennen. Die Mutter und die Yalcon-Indianer (rund 6000 Stammesmitglieder) erhoben sich zu einem Aufstand, bei dem die Spanier vernichtend geschlagen wurden. Anasco wurden die Augen ausgestochen und dann durch das Dorf zu Tode geschleift. Durch einen Verrat konnten weitere spanische Truppen gewarnt werden. Der Aufstand wurde nicht zuletzt durch Influenza und Pocken niedergeschlagen …

 

Weiter am Magdalena, das Tal weitet sich, bis zur kleinen Regionalhauptstadt Neiva.

Beckenlage, geschützt vor all zu viel Niederschlag, aber gesegnet mit Fallwinden (vgl. Fön)

Es entsteht die Tatacoa-Wüste, welche aber eigentlich keine ist. Trotzdem sehr heiß 42° ++, lauer Wind der stark austrocknet, enorme Erosion der mächtigen Sand/Lehm-Decken

Melonenkaktus, dessen Blüte man essen kann

 

In der Luft überqueren wir den Rio Magdalena, der gemächlich den Rest seiner 1500km dem Karibischen Meer entgegen mäandert.

 

Die östliche Gebirgskette erreicht nochmals Höhen über 4000m mit ausgedehnten Becken. Eines davon ist mit der Hauptstadt des Landes Bogota bis an seine Ränder ausgefüllt. Ca. 8 Mio. Einwohner (jeder 6. Kolumbianer) breiten sich hier in einer Höhe von 2600-3300m aus

 

Die eigentliche Wurzel der Stadt liegt am Fuße des Monserrate – das centro historico oder „la candelaria“ eine bestens erhaltene koloniale Altstadt mit kleinen Häuschen, diese knapp 15x15 Häuserblocks sind von Betontürmen umwuchert. Warum? Denkmalschutz? …?

ehemaliges Slum-Gebiet, Drogenhandel, Kartelle, no-go-area, keine Investoren, kein Abriss, …

mit der Vertreibung der Kriminellen habe Studenten Einzug gehalten, eingesessene Bewohner trauen sich wieder auf die Straßen, Aufbruchstimmung im Tourismus (hostels, bars, …)

Straßen im Schachbrett-Muster ohne Rücksicht auf das Gelände (calle la fatigue „Müdigkeit“)

Teatro Colon als Schauplatz der Friedensabkommen

Plaza Bolivar (in Spanien plaza major) im Zentrum mit den wichtigsten Einrichtungen der Stadtverwaltung: Rathaus von Bogota, capitolio nacional (Kongress der Republik Kolumbien), palacio de justicia (der sein modernes Aussehen einem verheerenden Angriff 6.11.85 Guerrilla M-19 und der daraus folgenden Zerstörung erhielt) und der Kathedrale, die ihr heutiges neoklassizistisches Gesicht erst beim 3. Bau um 1830 erhielt.

Unweit befindet sich der palacio narino der Sitz des Präsidenten

die Iglesia de San Agustin (Augustiner-Orden 1575, Kirche 1640, Renaissance-Stil)

die Iglesia del nuestra senora Maria del Carmen (Salesianer 1930er Jahre)

und andere zeugen von der reichen christlich-missionarisch motivierten Kolonialzeit.

Die patios (Innenhöfe) bieten Ruhe in einer überaus geschäftigen Innenstadt, die zwar kaum Autos Platz bietet, dafür umso mehr Motorrädern. In einem davon befindet sich das museo Botero, in dem seit 2000 rund 120 eigene Werke des Künstlers aber auch rund 100 Stücke aus dessen Sammlung (darunter bekannte Impressionisten und Expressionisten) gezeigt werden. Boteros Markenzeichen sind die rundlichen Figuren. Zur Zeit gibt es eine sehenswerte Botero-Schau im Museum Moderner Kunst in Passau!

 

Ein weiterer Abstecher ist am Rande der Candelaria das museo del oro (Goldmuseum) in welchem tausende glänzende Meisterwerke aus der Vorkolonialen Vergangenheit einen wahren Überfluss zeigen und vielleicht auch verdeutlicht, warum die Spanier ausgerechnet in Kolumbien ihr „El Dorado“ vermuteten. Alles Fundstücke aus den Gräbern, die nicht (!) den Eroberern in die Hände fielen – man kann sich nicht vorstellen welche unermesslichen Schätze geschmolzen in Form von Gold- und Silberbarren verloren gingen. (weitere Stücke im ausliegenden Museums-Führer)

 

Mit der wehenden Fahne möchte ich mich verabschieden, vielleicht einige Vorurteile ausgeräumt zu haben, zeigen warum Kolumbien auch ein „El Dorado“ für den Touristen sein kann

 

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